Mittwoch, 16. November 2011

Quo vadis, Ruhrpottszene?

Am vergangenen Samstag (15.10.2011) hab ich mal wieder ein Konzert in Gladbeck besucht. Als alter Gladbecker war es schön mal wieder ein paar Rockbands in der alten Heimat zu sehen. Unter den Anwesenden konnten sich überraschend viele sogar noch an unsere alten Glanztaten, also das Cold Winter Fest in Gladbeck erinnern.
Aufgetreten sind ein paar lokale Bands. Zwei der vier Bands waren auch schon auf unseren Konzerten vertreten. Dies waren die Blind Pilots und Rumtopf. Als Gladbecker Bands kennt sie eigentlich jeder, der in den letzten Jahren mal ein Konzert in der Stadt besucht hat.
Konzertbeginn war 19.00 Uhr, also wirklich nicht so früh. Das Bier kostete 1,5 Euro und das beste: der Eintritt war frei.
Leider war der Zuschauerzuspruch mehr als überschaubar. Die Location -das Mikado- liegt in Gladbeck-Mitte. Die Konzertreihe fand früher schon öfter statt und war immer sehr gut besucht. Nun musste die Reihe drei Jahre pausieren und fand am Samstag zum ersten Mal wieder statt.
Konzertende war um 0.00 Uhr. Also auch hier: Optimale Bedingungen. Sound, Licht, Bands.. alles okay. Wo waren die Leute? Bei freiem Eintritt und günstigem Bier sollte man doch eigentlich von vollem Haus ausgehen können.
Immerhin: Ein paar treue Leute waren da. Aber man hatte schon den Eindruck, dass sich hier vor allem die persönlichen Freunde der Musiker ins Mikado verirrt hatten. Und wirkliche Party- oder Konzertstimmung wollte auch nicht aufkommen. Der Bereich vor der Bühne war durchgehend mehr oder weniger frei und ein Großteil der überschaubaren Zuschauermenge stand vor der Tür zum gemütlichen Rauchen und Plauschen.
Ein Gespräch mit den Organisatoren zeigte, dass es wohl Probleme mit der Werbung gab und in der Tat war das Konzert weder auf Plakaten, Flyern noch im Internet sehr präsent.
Dennoch: Wo waren die Leute? Bei freiem Eintritt, guten lokalen Bands und Bier zu Kiosk-Preisen sollte man wirklich mehr erwarten als vielleicht 20 bis 30 Gäste, die nicht in direktem Verhältnis zu den Musikern stehen.
Gladbeck, wo warst du? Oder sollte man besser fragen: Rocker, wo wart ihr?
Viele der Gespräche mit dem einen oder anderen flüchtig Bekannten aus Gladbeck hatten den Tenor: Bei uns ist ja nix los! Und mein Einwand, dass die Stadt noch nie eine nennenswerte Metalszene hatte wurde von ein paar Jugendlichen abgetan. "Doch, es gibt uns. Und wir sind garnicht so wenige!" Aber wo waren denn die "garnicht so wenigen"?
Als Veteran von kleinen Konzerten, sowohl als Veranstalter, aber noch viel mehr als Besucher, musste ich die Erfahrung machen, dass der Zuschauerzuspruch immer mehr abnimmt. Kann man nur noch mit etablierten Bands und freiem Eintritt einen mittelgroßen Laden voll machen? Eins von beidem reicht offenbar nicht aus.
Es ist ja wahr: es gibt im Ruhrgebiet einfach zuviele Konzerte und Festivals. Man muss ja wirklich kein einziges Wochenende auf Live-Musik von lokalen Bands verzichten.
Gleichzeitig werden die großen Festivals und Konzerte immer größer. Das Wacken ist schon vor Weihnachten ausverkauft und zum Turock-Open-Air pilgern auch tausende. Schrumpft die Zahl der Musikbegeisterten die auch ihrer lokalen Szene eine Chance geben wollen?
Als Exile-Veranstalter kennen wir beide Seiten. Wir kennen Jahre in denen es eher mau aussieht und Jahre in denen wir die Bude ausverkaufen. Verlassen kann man sich darauf nicht.
Und wenn ich jetzt sehe, dass man selbst mit kostenlosen Konzerten nur noch wenige hinter dem Ofen hervorlockt, dann frag ich mich: Für wen machen wir das alles noch?
Ich bekomme nahezu jeden Tag Anfragen von Bands, die ungefähr so klingen: "Wir finden das Exile voll geil! Und es wäre uns eine Ehre mal bei euch spielen zu dürfen." Wenn es dann mal aus dem einen oder anderen Grund nicht klappt, oder das Billing schon voll ist und man die Truppe erst fürs nächste Jahr bucht, dann ist es wirklich ausgesprochen selten, dass sich die Musiker der Band die das "Exile voll geil" finden, als Gast zum Festival verirren. Da stimmt doch was nicht.
Leute! Wenn ihr selber nicht kommt, wer soll denn dann zu euch kommen?
Kriegt euren Arsch hoch und schaut euch mal wieder ein Konzert um die Ecke an! Lasst eure Musikerkollegen nicht im Regen stehen! Wer ist denn die Szene? Das sind WIR! Musiker, Veranstalter oder einfach Fans. Und als solche haben wir alle die verdammte Pflicht auch andere zu besuchen.
Damit will ich ausnahmsweise mal garnicht sagen: Kommt alle zum Exile. Hier sieht es ja meistens noch recht gut aus mit dem Zuschauerzuspruch.
Aber wenn ich mir Konzerte in den lokalen Jugendzentren und Kneipen anseh, dann kann man sich schon manchmal fragen, ob der gemeine Rockfan nicht völlig übersättigt ist. Anders kann ich mir die kaum vorhandenen Zuschauer auf Konzerten wie dem am Samstag nicht erklären. Eine Ähnliche Erfahrung habe ich letztes Jahr bei einem Festival in der Mühle in Duisburg gemacht. Hier haben unter anderem Solar Fragment und Metalety gespielt. An der gleichen Stelle, an der im Sommer tausende das Rage Against Racism (umsonst und draußen) eingerannt haben, waren an dem Abend (5 Euro und drinnen) gerade mal 15 Leute plus Musiker! Mich selber mit eingerechnet.
Muss denn immer alles mundgerecht serviert werden? Muss das Konzert in einer Großstadt direkt neben dem Hauptbahnhof in einem großen Club stattfinden? Kann es nicht auch mal die Altstadtschmiede, das Mysteria, das Maxus, das Mikado, das Pluto, der Tossehof, das Zentrum, der Heisterkamp, das Paul-Loebe-Haus, die Mühle, die Sonne oder irgendein anderes Jugendzentrum oder irgendeine andere Kneipe sein? Muss es immer Iron Maiden oder Metallica sein? Reicht nicht auch mal Fairytale, Damaged Justice, Final Depravity, Custard, Stormrider, Agamendon, The Claymore oder Metalety? Scheiss auf Wacken, geh zum Steel Meets Steel! Oder zum Mercenaries Metal Meeting!
Vielleicht liege ich auch falsch, aber ich hab den Eindruck, dass auch aus meinem Umfeld immer weniger Leute Lust haben sich mal bei einem Fünf-Euro-Gig amtlich die Kannte zu geben und lieber garnichts machen oder dreimal im Jahr zu einem dicken Gig rennen. Man! Seid nicht so faul! Nur weil der Nachtexpress nicht vor der Tür abfährt kommt man trotzdem noch hin und weg!
Vielleicht liegt es an meinem Alter, dass sich immer mehr meiner Bekannten von der Front verabschieden. Oder ist das Angebot tatsächlich zu groß geworden?
Auf jeden Fall kann ein bisschen mehr Zusammenhalt in der Szene nicht schaden. Ich dachte, wir sind alle Musikfans und nicht nur Fans der eigenen Band!
In diesem Sinne: Geht mal wieder zu einem lokalen Gig, auch wenn ihr die Bands vielleicht nicht kennt. Dann bleibt uns sowas wie am Samstag in Gladbeck vielleicht erspart.

Mittwoch, 15. Juni 2011

Rock Hard-Leserbrief

Nur für den Fall, dass die Rock Hard meinen Leserbrief ignoriert:

Hallo zusammen!

Um mich mit meiner unwichtigen Meinung mal in die Diskussion um das Thema Pay-To-Play einzubringen, versuch ich mal sowas Ähnliches wie eine
Gegenposition zu vertreten.
Eins vorweg: Pay-To-Play ist eine Frechheit; ohne Frage. Wie kommen aber scheinbar soviele Veranstalter auf den Trichter Zwangsabnahmen oder gar Bares
als Auftrittsvorraussetzung einzurichten?
Ich selber Veranstalte seit 2004 Festivals im Ruhrgebiet (Cold Winter Fest/Exile Festival) und kenne daher die andere Seite des Geschäfts (ja, es ist und bleibt
ein Geschäft) sehr gut. Daneben hab ich mit meiner eigenen Band auch oft genug für Noppes auf verschiedenen Veranstaltungen gespielt. Aber mir war der Applaus und die Party in der Regel auch wichtiger als Geld. Aber das ist nur eine persönliche Einstellung und natürlich verstehe ich, dass es frustrierend ist, wenn
man immer wieder für null Euro durch die Gegend turnen muss.
Nun aber zu meiner eigentlichen Argumentation. Diese ist so offensichtlich und einleuchtend, dass ich sie eigentlich nicht fomulieren muss. Aber dennoch:
Eine Band kommt und will auftreten. Was löst diese Tatsache beim potentiellen Veranstalter aus? Es wird zunächst mal eine Location benötigt. Diese ist in der Regel nicht umsonst zu haben. Dann wird eine angemessene PA gemietet und vielleicht auch für das Auge noch ein wenig Licht dazu gebucht. Auch das kostet eine ganze Stange Geld. Die Band möchte was essen und was trinken. Auch das kostet eine Menge. Die Veranstaltung sollte versichert werden und auch Werbung sollte zum Wohle aller stattfinden. Werbung in Magazinen kostet immer einige hundert Euro und auch Flyer und Plakate sind teuer. Erstellen und Verteilen kann man vielleicht noch selber, aber spätestens drucken kostet wieder Kohle. Dann kommt die liebe GEMA und verlangt ihre ungerechtfertigten und viel zu hohen Tarife.
Bis hierher sind schon eingige hundert oder auch tausend Euro zusammen. Der Veranstalter hat schon viele Stunden in die Planung und Organisation gesteckt und ist in Vorleistung gegangen.
Wenn nun auf dem Festival/Konzert sagen wir 10 Bands spielen, dann kann man diese Kosten recht einfach auf jede einzelne Band verteilen. 1/10 halt. Angenommen wir sind nun bei ca. 1.500 Euro (und das ist wirklich niedrig angesetzt). Macht also schon 150 Euro pro Band. Veranschlagen wir nun 10 Euro Eintritt so MUSS die Band schonmal mindestens 15 Leute bringen. Zugegeben: Schaffbar. Auf die Veranstaltung gerechnet ist der Break also ziemlich genau bei 150 Leuten. Das hört sich für semiprofessionelle Bands schon wieder anders an.
Möchte nun jede Band nochmal 50 Euro Spritgeld haben, dann sind es auf einmal schon 200 Leute. Das ist viel! Zumindest ist es viel, wenn keine bekannten Bands dabei sind. Nehmen wir also mal zwei etwas Bekanntere dazu. Je nachdem wie bekannt es sein soll, fällt nun Gage an. Und zwar etwa 1.000 bis 2.000 Euro (nach oben sind hier wirklich keine Grenzen gesetzt). Angenommen wir bekommen zwei Bands für je 750 Euro. Spätestens jetzt schlägt die Künstlersozialkasse zu und verlangt 3,9% der Gagen. Wir sind nun also bei ca 3.500 Euro für die Veranstaltung. Macht also 350 Zuschauer.
Ich könnte hier weitermachen, aber ich denke es ist klar, dass das schon ein gut besuchtes Konzert ist. Was wenn ein einziger weniger kommt? Der Veranstalter hat Monate seines Lebens gearbeitet und rein garnichts dafür bekommen. Die Band konnte immerhin ihre Bekanntheit steigern, feiern und mit Spritgeld, Catering und einem dicken Namen in der Referenzliste nach hause gehen.
Klar, es kann auch gut ausgehen und der Veranstalter streicht sich ein paar hundert Euro ein. Aber es ist einfach unberechenbar und das Risiko liegt einzig und allein bei ihm.
In meiner Rechnung ist nicht berücksichtigt, dass neben dem Veranstalter auf einem Konzert noch zahlreiche andere Leute (Security, Ton-/Lichttechniker, und Helfer aller Art) arbeiten, die entweder nichts dafür bekommen weil sie Idealisten/Freunde des Veranstalter sind, oder aber sie treiben den Break weiter nach oben. Ebenso wenig habe ich Porto, Telefon, Hotelzimmer für die Headliner (ca. 400 Euro pro Band) und weitere Kleinigeiten vernachlässigt die dennoch bezahlt werden müssen.
Eine einfache Rechnung ist also: Die Band muss inklusive aller auf sie umgelegten Nebenkosten das einbringen was sie an Kosten verursacht. Und das ist nunmal nicht wenig. Die Arbeit die eine Band leistet kann niemals bezahlt werden. Alles was sie im Proberaum, im Studio oder wo auch immer leistet muss sich an der Zuschauerzahl messen lassen. Wenn diese nicht stimmt, dann kann sie nicht auftreten. Einer zahlt am Ende die Zeche und das ist mit Sicherheit erstmal der Veranstalter. Hört sich hart an, ist aber so. Es ist völlig egal wie gut und wertig die Musik ist, am Ende zählt nur was die Band in die Kasse des Veranstalters bringt, andernfalls wird er über kurz oder lang keine Konzerte mehr machen und niemand wird mehr auftreten können.
Der von Lukas Weiß angesprochene soziale Zweck beim Metal for Mercy ist nicht der, kleinen Bands eine Chance zu geben, sondern eben ein ganz anderer. Die Bands spielen hier um Menschen zu helfen. Ich veranstalte meine Konzerte aus anderen Gründen, aber wer auch immer am Ende im Erfolgsfall das Geld bekommt: Die potentiellen Verluste trägt der Veranstalter.
Pay-To-Play ist keine Option und eine wertige Band wird auf Dauer auch Gagen bekommen. Schaut ins Publikum und denkt drüber nach ob ihr dem Veranstalter einen Mehrwert bringt oder nicht. Wenn ja: fordert eine gerechte Beteiligung, wenn nein, dann seid dankbar, dass ihr dennoch eine Chance bekommen habt.
Und um den Buhrufen vorzugreifen: Ich veranstalte selber oft Bands bei denen ich weiß, dass sie allein die Kosten nicht rechtfertigen. Ich habe mir den Underground-Support auf die Fahnen geschrieben und unter die Haut stechen lassen. Aber niemand kann die harte wirtschaftliche Realität ignorieren und das muss auch der härteste Underground-Metaller verstehen. Also: "Support The Underground" gilt auch für Bands; auch wenn das mal bedeutet ohne Gage zu spielen.
P.S. Meldet euch nicht bei der GEMA an. Lohnt sich nicht, ihr treibt die Produktionskosten in die Höhe und ihr finanziert die falschen Künstler!